Grundsätzlich haben Zeugnisse eine doppelte Aufgabe:
- es soll dem Arbeitnehmer als Unterlage für eine neue Bewerbung dienen.
- es soll zur Unterrichtung eines Dritten über die Leistungen, Qualifikationen und das Verhalten des Arbeitnehmers dienen.
Grundsätze der Zeugniserteilung
Ihre Arbeitszeugnisse sind die Pflastersteine Ihrer Karrierestraße. Schlaglöcher und Stolperfallen können Sie sich nicht leisten.
Zwar ist Ihr Chef frei in seinem literarischen Bemühen, Ihre Talente und Fähigkeiten künftigen Arbeitgebern zu empfehlen. Die Belange des Arbeitnehmers oder eines Dritten als möglicher neuer Arbeitgeber können jedoch gefährdet sein, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeugnis unter- oder überbewertet wird.
Da es in den Gesetzen und Tarifverträgen keine detaillierten Regelungen über Zeugnisinhalte gibt, hat die Rechtsprechung allgemeine Grundsätze entwickelt, welche bei der Zeugniserteilung einzuhalten sind:
- Grundsatz der Wahrheit
- Grundsatz des verständigen Wohlwollens
- Grundsatz der Vollständigkeit
- Grundsatz der individuellen Beurteilung
Wahrheit
Das Zeugnis muss wahr sein. Es darf nur Tatsachen enthalten. Bloße Behauptungen, Annahmen oder Verdächtigungen dürfen nicht darin vorkommen.
Verständiges Wohlwollen
Das Zeugnis muss wohlwollend (also freundlich, großzügig) abgefasst sein. Zweck eines Arbeitszeugnisses ist es, das weitere berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht zu behindern.
Tipp
Die Grundsätze der Wahrheit und des verständigen Wohlwollens bergen Spannungen, da sie sich im Einzelfall widersprechen können. Insofern ist dem Grundsatz der Wahrheit Vorrang einzuräumen: Wahrheit geht vor Wohlwollen!
Vollständigkeit und individuelle Beurteilung
Das Zeugnis muss zudem vollständig sein. Es muss alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind.
Das schließt aus, dass einmalige Vorfälle oder Umstände, die für den Arbeitnehmer, seine Führung und Leistung nicht charakteristisch sind (ob nachteilig oder vorteilhaft) in das Zeugnis aufgenommen werden dürfen.
Durch den Grundsatz der individuellen Beurteilung wird sichergestellt, dass das Zeugnis nicht nur allgemein austauschbare Formulierungen enthält, sondern der Arbeitnehmer aus der Beurteilung erkennbar ist.
Was ins qualifizierte Zeugnis gehört
- Ihre vollständigen Angaben zur Person.
- die Dauer Ihrer Beschäftigung im Unternehmen.
- die Art Ihrer Tätigkeit im Unternehmen, an der Ihr neuer Arbeitgeber Ihre Verwendungsmöglichkeiten klar erkennen kann. Dabei muss die Beschreibung umso genauer sein, je facettenreicher und verantwortungsvoller die Tätigkeit war.
- Ihren Werdegang im Unternehmen, wenn Sie in verschiedenen Abteilungen tätig waren.
- an welchen Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen Sie teilgenommen haben, wenn diese für Ihre Qualifikation, Leistungsbereitschaft und Leistungswillen bedeutsam sind.
- Ihre Leistung im Arbeitsverhältnis, also die Qualität Ihrer Arbeit.
- Ihr Verhalten im Arbeitsverhältnis. Dazu gehört Ihr Benehmen und der Umgang zu anderen Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie bei höheren Positionen das Verhalten gegenüber Untergebenen.
Was nicht ins qualifizierte Zeugnis darf
- wie hoch Ihr Gehalt war
- Ihre Vorstrafen
- wie oft Sie abgemahnt wurden
- wenn Sie suchtkrank sind
- Ihre Gewerkschafts- Parteien und Betriebsratstätigkeit (es sei denn, Sie waren freigestellt und wünschen die Aufzählung Ihrer Aktivitäten)
- Ihre religiösen Aktivitäten, Ehrenämter und Nebentätigkeiten.
Im Zeugnistext darf zudem nichts unterstrichen, kursiv oder fett gedruckt werden. Unzulässig sind auch Ausrufe-, Frage- und Anführungszeichen. Außerdem sind Behauptungen, Unterstellungen und Vermutungen zu unterlassen.
Tipp
Achtung! Die Auflistung ist nicht absolut gültig. Unter Umständen muss auch hier nach den oben genannten Grundsätzen abgewogen werden.
Schlussnote
Da häufig Bewerbungen aus Zeitmangel nur quer gelesen werden, wird der Schlussnote erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. In der Praxis ist eine besondere Ausdrucksweise üblich, diese ist jedoch für den Arbeitgeber nicht verpflichtend. Die Rechtsprechung hat hinsichtlich der üblichen Ausdrucksweise Bewertungsrichtlinien erstellt, an denen man sich orientieren kann. So entspricht die Formulierung ...
- "zur Zufriedenheit" = ausreichenden Leistungen.
- "zur vollen Zufriedenheit" = befriedigende Leistungen.
- "stets zur vollen Zufriedenheit" = gute Leistungen.
- "stets zur vollsten Zufriedenheit" = sehr guten Leistungen.
Tipp
Die Schlussnote darf mit dem restlichen Zeugnis nicht im Widerspruch stehen! Wird ein Spitzenzeugnis erstellt, muss dieses daher auch eine entsprechende Schlussnote enthalten.
Schlussformel
Wirklich gute Zeugnisse enthalten eine sogenannte Schlussformel, wie beispielsweise "Wir bedauern das Ausscheiden unseres Mitarbeiters und wünschen ihm für die Zukunft viel Erfolg". Der Arbeitgeber ist jedoch nicht verpflichtet, eine solche Schlussformel mit in das Zeugnis aufzunehmen, sie ist also nicht einklagbar.
Realität im Zeugnis
Ihr Zeugnis ist eine subjektive Beurteilung aus Arbeitgebersicht. Nach den oben genannten Grundsätzen muss das Zeugnis auf Tatsachen und der Wahrheit basieren. Auch negative Fakten dürfen somit aufgenommen werden.
Formulierungsvielfalt mit Sprachcode
Der übliche Zeugnisjargon kann bei Ihnen Unsicherheiten hervorrufen oder gar zu Wutausbrüchen führen.
Formulierungstechnik
Um negative Aussagen zu vermeiden, flüchten manche Zeugnispoeten in eine wahre Formulierungslust von mittelbaren und indirekten Aussagen.
Lückentechnik
Unwesentliches herauszustellen, Selbstverständlichkeiten zu loben und Wesentliches nicht zu erwähnen, ist eine beliebte Kurventechnik der Zeugnisautoren.
Vorsicht Falle
Achten Sie darauf, dass
- die wesentlichen Punkte aus dem Arbeitsverhältnis im Zeugnis angesprochen sind
- sie klar formuliert sind
- die Gewichtung der Aspekte das tatsächliche Bild nicht verfälschen.
Empfinden Sie Ihr Zeugnis
- doppelsinnig formuliert
- missverständlich durch Wortwahl oder Satzstellung
- falsch akzentuiert
weisen Sie es kurzerhand zurück und halten Sie eigene Formulierungsvorschläge bereit.